Limax maximus
Limax maximus
   
  Weichtier des Jahres 2005  
 
Der Tigerschnegel Limax maximus
LINNAEUS 1758

 
  Der Tigerschnegel - Limax maximus LINNAEUS 1758 - ist eine in Deutschland weit verbreitete und häufige, aber der Allgemeinheit doch weitgehend unbekannte Nacktschnecke, die beispielhaft ist für das ambivalente Verhältnis des Menschen zur Tiergruppe der Weichtiere: Einerseits haftet gerade den Nacktschnecken ein von den meisten Menschen tief empfundener Makel des Ekelhaften und Schädlichen an; andererseits handelt es sich besonders bei Limax maximus um ein Tier von unbestreitbarer Schönheit und Eleganz mit einem geradezu spektakulären Verhaltensrepertoire. Der Tigerschnegel wird ausgewachsen 10-20 cm lang. Der Körperbau ist lang gestreckt und schlank. In Ruhe lagert sich das nur wenig zusammengezogene Tier mit gekrümmter Längsachse so, dass sich der Kopf dem Schwanzende etwas nähert. Die großen Kopffühler sind kräftig und von braunroter Farbe. Im vorderen Drittel des Körpers befindet sich das fein konzentrisch gerunzelte Mantelschild, dessen Struktur an einen Fingerabdruck erinnert.  
  Rechtsseitig hinter der Mitte des Mantels ist die Atemöffnung deutlich sichtbar. Der Körperrücken ist im hinteren Drittel ausgeprägt gekielt und läuft am Schwanzende spitz aus. Die Körperfarbe variiert recht stark zwischen hellbrauner bis hellgrauer Grundfarbe. Bei einzelnen Tieren kommt auch cremeweiße Grundfarbe vor. Die Rückenseite der Tiere ist durch dunkle Flecken, Streifen und Strichelbänder gekennzeichnet, die in Pigmentstärke und Anordnung sehr stark variieren. Auf dem Mantelschild erreichen die Flecken ihre größte Dichte und Farbintensität.  
   
 
Auf dem Körperrücken hinter dem Mantel tritt die Pigmentierung meist in Form von einer fleckig oder streifig unterbrochenen Längsbänderung auf, die sich in unterschiedlichem Grad in Punkte oder kurze Strichel auflösen kann sowie zu den Körperflanken hin verblasst. Der Anblick dieser auffälligen Körperzeichnung gehört zum schönsten, was unsere einheimische Schneckenfauna zu bieten hat. Die Körpersohle, der „Bauchfuß“ des Tieres ist einfarbig weißlich. Der Körperschleim ist farblos und relativ zäh. Im Körperinneren, unter dem Mantelschild, liegt ein konzentrisch aufgebautes, festes Kalkschälchen als rudimentäres Gehäuse von etwa 3-5 mm Länge.
 
   
 

Die Fortpflanzung der zwittrigen Schnecken beginnt mit einem einzigartigen, artspezifischen Paarungsvorspiel:

Ein paarungsaktives Tier verfolgt den paarungspassiven Artgenossen zunächst auf dessen Schleimspur und stimuliert diesen durch Belecken der Schwanzspitze. Geht das umworbene Tier auf das Vorspiel ein, bilden beide Partner, Kopf an Schwanz, einen Kreis und drehen sich wie tanzend. Während dieses stundenlangen Paarungsvorspiels sondern beide Tiere sehr viel Schleim ab, der sich zwischen beiden klumpig ansammelt. Nun verengen die Tiere den Paarungskreis, umschlingen sich mehrfach, geradezu stürmisch, bewegen die Köpfe heftig hin und her, belecken sich dabei ausgiebig und spreizen die Mantelränder stark ab. Beide sondern nun am Hinterende jeweils einen stabilen Schleimfaden ab, lassen sich gemeinsam von ihrer Unterlage (Ast, Mauer) fallen und verdrehen dabei beide Schleimfäden zu einem „Seil“, an dem sie sich, weiterhin umschlungen, bis zu 40 cm tief abseilen. An den rechten Kopfseiten treten nun bei beiden Tieren die bläulichweißen Penis-Schläuche aus, die bei 4 cm Länge etwa 1/3 der Körperlänge erreichen. Beide Penes suchen sich außerhalb der Körper, umschlingen sich intensiv und bilden mit beiden Spitzen eine milchige Kugel, in die das Sperma jedes Tieres wandert und ausgetauscht wird. Am Ende der Kopula lösen und entwirren sich die Penes und werden langsam eingezogen, wobei das Sperma in den inneren, oberen Teil des Geschlechtsapparates wandert und dort monatelang befruchtungsfähig bleiben kann. Auch die Körper der Tiere lösen sich: eines lässt sich fallen, das andere kriecht an dem Schleimfaden aufwärts und frisst diesen auf. Nach der gegenseitigen Begattung erfolgt durch beide Kopulationspartner im August-September sowie im Juni-Juli des Folgejahres die Eiablage in unregelmäßigen Gelegehaufen. Die etwa 100-200 Eier eines Geleges sind mit 3,5-4 mm Durchmesser sehr groß und von fast glasklarer Farblosigkeit. 3-6 Wochen später schlüpfen die Jungtiere in einer langwierigen, für viele tötlichen Anstrengung; Geschlechtsreife tritt etwa 1-1,5 Jahre später ein; die Lebenserwartung beträgt 2,5-3 Jahre.


 
 

Die vorwiegend nachtaktiven Tigerschnegel sind gelegentlich bei feuchtwarmer, bedeckter Wetterlage auch tagsüber unterwegs. Dabei bewegen sie sich auf recht breiten, stark glänzenden Schleimspuren aus ihren Ruheplätzen unter hohl liegenden Steinen, Schutt, Totholz oder Brettern sowie in dunklen Mauerritzen und Fundamenthohlräumen.
Limax maximus lebt bei Gelegenheit räuberisch, greift andere Nacktschnecken an und frisst auch an Aas und Kot. Hauptnahrungsquelle sind jedoch Pilze, welke, tote Pflanzenteile und algige oder pilzige Aufwüchse an Totholz und Baumrinden. Die Art hat im Freiland keinerlei Bedeutung als Nutzpflanzenschädling.
Das Spektrum der in Deutschland besiedelten Biotoptypen reicht von Weichholz-Auenwäldern bis zu siedlungsnahen Kulturlandschaften mit Feldgehölzen, Hecken, Gebüschen, Gärten, Parks, alten Industriebrachen und innerstädtischen Grünanlagen.

 
 

Auch sucht der Tigerschnegel feuchte Keller, Gebäude und Scheunen auf.
Der Tigerschnegel ist demnach eine stark kulturfolgende Nacktschnecke, die aus ihrer vermutlich süd- und westeuropäischen Heimat mittlerweile ganz Mitteleuropa synanthrop besiedelt hat und dort auch in naturnahe Biotope integriert ist. In den nördlichen und nordöstlichen Randbereichen Europas geht das Vorkommen allmählich auf ausschließlich synanthrope Nachweise oder Gewächshausfunde zurück. Dank seiner ausgeprägten Verschleppungstoleranz wird Limax maximus immer wieder auch in überseeischen Regionen beobachtet.